Ein reiches historisches Erbe

Das Stadtgebiet von Lebach: Ein Raum mit langer und vielfältiger Vergangenheit - Vieles noch unentdeckt

Im Jahr 2002 wurde in Lebach Jubiläum gefeiert: 25 Jahre zuvor ist die Gemeinde Stadt geworden. Verglichen mit der Jahrhunderte alten städtischen Tradition von Saarbrücken, St. Wendel oder gar Trier nimmt sich dieses Jubiläum für eine historische Betrachtung auf den ersten Blick etwas bescheiden aus. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, dass mit der Verleihung der Stadtrechte eine über Jahrhunderte zu verfolgende Entwicklung ihren Abschluss gefunden hat.

Im Zuge des Jubiläums scheint eine Bestandsaufnahme der historischen Forschung sowie Möglichkeiten und Perspektiven der weiteren Arbeit auf diesem Sektor angezeigt. Vor- und frühgeschichtliche Funde sind aus dem ganzen Stadtgebiet flächendeckend bekannt.

Älteste Zeugnisse in Form von Feuersteingerätschaften datieren aus der Jungsteinzeit. Aus der anschließenden Eisenzeit (ab etwa 800 vor Christus) liegen ebenfalls nur spärliche Funde aus dem Raum Lebach vor. Dies ändert sich ab der gallo-römischen Epoche (50 vor Christus bis etwa 450 nach Christus) entscheidend. Aus fast allen Stadtteilen sind mehrere Siedlungsplätze bekannt, die zumeist als Standplätze von ehemaligen Gutshöfen anzusprechen sind.



Ausgrabungsgelände "auf den Erdhäusern" im Jahre 1990 bei der Anlage des Gewerbeparks an der Straße nach Primsweiler. Die Villenanlage aus römischer Zeit wurde nahezu vollständig untersucht. Heute befindet sich dort ein Parkplatz . (Foto: W. Steffen)


Leider ist nur in seltenen Fällen, etwa bei der Villa "Auf den Erdhäusern" im Industriegebiet von Lebach an der Straße nach Primsweiler eine wissenschaftliche Ausgrabung und Dokumentation erfolgt. Darüber hinaus sind auch Gräberfelder, etwa die in den 20er-Jahren ergrabene Nekropole nahe des Hofguts "Zur Motten" sowie die beim Gasleitungsbau 1999 in Thalexweiler entdeckten Brandgräber, und religiöse Stätten, etwa der nahe der Kläranlage entdeckte Opferteich, Zeugnisse einer intensiven Besiedlung in römischer Zeit.

Sicherlich werden mit künftigen Bauprojekten einhergehende Notgrabungen unsere Kenntnis insbesondere der vorrömischen Vergangenheit der Region noch mehren können. Mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches beginnt bis zum Einsetzen der schriftlichen Überlieferung eine dunkle Periode für die Heimatkunde. Neu ins Land gekommene fränkische Siedler vermischten sich mit der gallo-romanischen Restbevölkerung und legten neue Siedlungen an, welche die Ursprünge unserer heutigen Dörfer im Theeltal bilden.

Geschichtlich betrachtet, setzt sich das heutige Stadtgebiet bis zum Eintreffen der Französischen Revolution im Jahre 1793 (ähnlich wie das Saarland) aus mehreren einst unterschiedlichen Herrschaften angehörenden Teilen zusammen, die kurz skizziert werden sollen.

Emmerich von HagenDen Kern bildete die im 14. Jahrhundert entstandene Vierherrschaft Lebach, zu der neben dem Hauptort Lebach auch die Orte Landsweiler, Niedersaubach, Rümmelbach sowie die Höfe Hahn, Jabach, Wahlen und das Schloss Motten gehörten. Beteiligt waren an dieser Herrschaft das Kurfürstentum Trier, die Freiherrn von Hagen, die Abtei Fraulautern sowie die Herren von Braubach, deren Anteil durch Kauf Anfang des 17. Jahrhunderts an das Herzogtum Lothringen kam, über welches der Anteil 1766 an den König von Frankreich fiel, der diesen dann in einem Tauschvertrag 1787 an Pfalz-Zweibrücken abgab. Außer der Abtei Fraulautern, die nur einen siebtel Anteil besaß, hatten die anderen drei Hochgerichtsherren einen Anteil von je zwei Siebtel an allen herrschaftlichen Einkünften.

Die unter dem Dach der Volkshochschule Lebach erschienen Publikationen haben neben zahlreichen zum Teil schon recht alten Aufsätzen die Kenntnisse über Struktur und Funktionsweise der zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörenden Vierherrschaft beigetragen. Das Konstrukt der Vierherrschaft führte dazu, dass viele Vorgänge mehrmals überliefert sind, so finden sich Jahresrechnungen von Lebach bei den Archivalien aller vier Hochgerichtsherren. Während für die Spätzeit der Vierherrschaft im 18. Jahrhundert eine gute Aufarbeitung vorliegt, ist für die Zeit des Hochmittelalters und der frühen Neuzeit noch Forschungsbedarf zu konstatieren.

Vor allem die Geschichte des uralten Mariä Geburtsmarktes verdient im Zeitalter des "Kaufhauses Lebach" noch intensiver Betrachtung. Dieser über Jahrhunderte hinweg zu belegende Markt und ein in Lebach schon früh zu beobachtender Bestand an Handel und Gewerbe hingen mit der Infrastruktur zusammen. So führte durch Lebach eine Hauptreisestraße, die ihre Bedeutung wohl am besten durch eine schon im 16. Jahrhundert belegte steinerne Brücke über die Theel unterstreicht. Frühe Gewerbe, wie etwa die Lebacher Mühlen oder die seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren Gerbereien, verweisen auf eine interessante Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die sich bisher nur in Ansätzen zeigt, etwa in den Berufsbezeichnungen in den Lebacher Familienbüchern.

Das untrennbar mit Lebach verbundene Geschlecht der Freiherren von Hagen, von dem noch heute in Lebach die Grabmäler in der Pfarrkirche und die Reste der Schlossanlage La Motte zeugen, wurde vor kurzem durch eine umfangreiche Studie dokumentiert und in einer reich bebilderten Publikation einer interessierten Öffentlichkeit dargestellt. Eindrucksvoll wird so jedermann deutlich, zu welch hohen Positionen, etwa Kurfürst von Trier oder Reichshofratspräsident zu Wien, damals Angehörige einer Lebacher Adelsfamilie gelangen konnten.

Die heutigen Stadtteile Aschbach, Dörsdorf, Steinbach, Thalexweiler sowie Gresaubach haben eine gemeinsame und von der Vierherrschaft unabhängige Vergangenheit. Diese fünf Dörfer gehörten zum Amt Schaumburg, welches dem Herzog von Lothringen als Vogt der Abtei Tholey gehörte. Während die Einwohner von Gresaubach direkte Untertanen des Herzogs von Lothringen waren, bildeten die vier Theeltaldörfer eine Meierei, die den Abt von Tholey als Grundgerichtsherrn anerkannte.

Mit dem Erwerb eines Anteils an Lebach durch Lothringen begann eine gemeinsame Geschichte, die durch die Ereignisse der Französischen Revolution bis zur Gebiets- und Verwaltungsreform wieder unterbrochen wurde.

Die Stadtteile Eidenborn, Falscheid und Knorscheid bilden wiederum eine Gruppe mit eigener geschichtlicher Tradition. Ursprünglich zersplitterte Besitzverhältnisse konnte das Fürstentum Nassau-Saarbrücken durch Kauf und Tausch kontinuierlich an sich bringen.



Ausschnitt aus einer Lebacher Postkarte um 1935; die Stadt hat sich um die Kirche herum entwickelt. Es fehlen die Umgehungsstraße und die heutige Fußgängerzone links von der Mottenerstraße.

Für die jüngere Geschichtsforschung des 19. und 20. Jahrhundert legen zahlreiche Artikel verschiedener Heimatforscher Zeugnis ab, zu denen in den letzten Jahren der Lebacher Kalender mit seiner Themenvielfalt und interessanten Fotodokumenten als echte Bereicherung hinzu kam. Leider ist eine systematische Arbeit über Lebach als Marktflecken in preußischer Zeit mit Sitz vieler öffentlicher Einrichtungen, etwa des Amtsgerichtes und des Notariates, noch nicht erschienen.

Dieser nur schlaglichtartige Überblick zeigt, welch reiches historisches Erbe auf dem heutigen Stadtgebiet von Lebach vorhanden ist. Historiker und Heimatforscher sind gerade in den letzten Jahren dabei, immer mehr Kenntnisse dieses Erbes wiederzuentdecken und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Historische Seminar der Volkshochschule Lebach bietet dabei eine gute Arbeitsplattform zu Zusammenarbeit und Austausch der Forschenden, gibt aber auch den notwendigen Rahmen für die Publikation von Ergebnissen, die von einer großen Öffentlichkeit begeistert aufgenommen werden. Man darf auf weitere Entdeckungen aus einer reichhaltigen Historie gespannt sein.

Johannes Naumann

Der Artikel wurde am 29. Mai 2002 in der Saarbrücker Zeitung veröffentlicht und erscheint hier mit Zustimmung des Autors.